[Von Rebecca Nordmann] KAPPELN/WINNEMARK Ein paar Tage noch, dann geht es los. Am Ufer der Schlei wird ab Montag wieder für vier Wochen gemalt, gezeichnet, gedruckt, fotografiert, skizziert, getöpfert, gesprayt, kreiert, modelliert, porträtiert, digitalisiert. Die Schlei-Akademie öffnet ihre Türen. Zum zweiten Mal bietet sie Freiraum für Kunst und Künstler, für Neugierige und jeden Interessierten. Ort des Geschehens ist die Albert-Schweitzer-Schule in Sundsacker, und zwei der Protagonisten sind Marcel Hermann und Volker Tiemann. Graffiti mit Stencil-Technik und Skulpturen und Holz heißen ihre Angebote. Und wer sich darauf einlässt, könnte nicht nur etliches an Praxis und Methodik erfahren, sondern ganz nebenbei auch einiges über die beiden Künstler selbst.
„No talent“.Das trägt Marcel Hermann auf seinem T-shirt umher. Es ist warm, als er seine Jacke auszieht, ist der Aufdruck gut zuerkennen.Graffiti ist seine Kunst, und dass es auch wirklich eine Kunst ist, wird schnell klar, wenn man sich ansieht, was Hermann als „Human Flashboy“ auf Papier und Wände bringt. Von wegen „no talent“. Er arbeitet mit Schablonen,mit Stencils, die er selbst mit Messer und Skalpell anfertigt – „eine sehrmeditative Arbeit für mich“, sagt Hermann. Und: „Je feiner die Schablonen sind, umso fotorealistischer wird hinterher das gesprayte Motiv. “Wenn man es genau nimmt, kombiniert er also zwei Künste miteinander: das freihändige, kreative Sprühen und die feine, detaillierte und vielschichtige Stencil-Technik. Und das alles gepaart mit Inhalt. „Es geht mir auch um Konfrontation, um eine Botschaft“, sagt Marcel Hermann. Sich mit einem Thema künstlerisch auseinanderzusetzen, es zu bewerten, „vielleicht auch erträglich zu machen“ und gerne zu diskutieren – das bekommt derjenige, der den Akademie-Kurs von Hermann bucht. Und einen ziemlich authentischen Künstler obendrauf.
Hermanns Kurs ist Teil der zweiten Akademie-Woche, von Montag bis Freitag wird gearbeitet. Intensiv, ja, aber nicht abgeschottet. Genau das entspricht dem Gedanken, der das Akademie leben umgibt und trägt: Jeder soll die Chance erhalten, sich künstlerisch weiterzuentwickeln, sich auszuprobieren, vielleicht an der Position des Dozenten zu orientieren oder eben auch genau das Gegenteil. Gleichzeitig ist der ganz unmittelbare Austausch, auch kurs- und themenübergreifend, gewollt. Und das Gelände rund um die Albert-Schweitzer-Schule ermöglicht genau beides.
Das sollen auch Volker Tiemanns Kursteilnehmer erleben. Der gebürtige Kieler hat Holz als sein Material erkannt– und mit unter fällt es schwer zu glauben, dass das, was er geschaffen hat,auch tatsächlich hölzern ist.Und eben nicht aus Leder, wie es diese Schuhe eigentlich sein sollten. Oder aus Porzellan,wie es dieserTeller sein sollte. Profi muss keiner sein, der seinen Kurs besucht. Tiemann sagt: „Ich möchte zeigen, dass man wirklich alles aus Holz machen kann. Auch denjenigen, die vielleicht bei Null anfangen. Ich wünsche mir nur, dass sie sich darauf einlassen.“ Mit drei Tagen ist Tiemanns Kurs deutlich kürzer als Marcel Hermanns – „das ist eine besondere Form der Intensität“, ahnt er bereits. Strategie, Planung, Zeit – all das sind Faktoren, die in seine Holzskulpturen einfließen. Und er sagt: „Das ist auch für mich ein Experiment. Und gleichzeitig ist es sehr konkret.“ Nicht nur die Teilnehmer sehen sich starken Künstlerpersönlichkeiten gegenüber. Auch die Künstler müssen sich aus ihrem gewohnten Umfeld herauswagen, sich der Verschiedenheit stellen. Im Ideal fall ist es bereichernd für beide Seiten.
Am kommenden Sonntag wird die Schlei-Akademie offiziell in der Alten Maschinenhalle in Kappeln eröffnet. Es gibt Speisen und Getränke – und erste künstlerische Einstimmungen auf das, was in den Wochen danach folgt. Kurzentschlossene können noch Plätze in einigen Kursen buchen, auch die Teilnahme an einzelnen Tagen ist denkbar. Die Akademie versteht sich als offenes Haus. Vorbeikommen, zugucken, mitmachen – alles ist möglich. Für jeden.
QUELLE: SHZ 08.07.2019